Das Vergangene ist noch gegenwärtig

Von administrator|8. Mai 2005|Oberwalde|

Am 8. Mai 2005 vor 60 Jahren ging der zweite Weltkrieg zu Ende! Anlässlich dieses Tages der
Befreiung vom Hitlerfaschismus stehen wir den Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dem Völkermorden noch immer fassungslos gegenüber. Der Landesvorstand des Allgemeinen Behindertenverbandes in Mecklenburg – Vorpommern e.V. hat zusammen mit Vorständlern, Mitgliedern und Freunden aus seinen Mitgliedsverbänden vor Ort an diesem Tag besonders der Menschen gedacht, die Opfer von Euthanasie und Zwangssterilisation wurden. Wir sehen uns in der Pflicht, an diesem Tag an den Mord und Totschlag von tausenden Menschen mit Behinderungen und / oder chronischen Erkrankungen in der NS Zeit in unserem Bundesland zu erinnern und der Opfer würdevoll zu gedenken!
Deshalb haben wir am 8. Mai zum Gedenken und zur Mahnung in Alt Rehse am Gedenkstein, in
Ravensbrück am Mahnmal, in Schwerin im Klinikum am Sachsenberg, in Stralsund am Klinikum, in
Ückermünde am Klinikum und in Miedzyrzecz (im ehemaligen Meseritz – Obrawalde) Gebinde
niedergelegt. Allen Teilnehmern sei dafür gedankt!
Als Landesvorsitzender des Allgemeinen Behindertenverbandes in Mecklenburg – Vorpommern e.V.
führte ich an diesem Tag eine kleine Delegation bis nach Miedzyrzecz pl.. Dort nahmen wir am 8. Mai um 12.00 Uhr an der offiziellen Kranzniederlegung zum Ende des 2. Weltkrieges teil. Vorher wurden wir offiziell als deutsche Delegation im Rathaus begrüßt. Anwesend waren Offizielle der Stadt, ein Stellvertreter des Bürgermeisters, der Vorsitzende des Gemeinderates und weitere Persönlichkeiten und Bürger/innen des öffentlichen Lebens und natürlich die Kombattanten.Nach 60 Jahren ist der Schmerz in Polen über die Zeit des Faschismus und des Stalinismus noch groß
und die Angst, die Freiheit wieder zu verlieren, schwingt in allem mit.
Noch immer sind die Ängste und die Erinnerungen an die Okkupation wach und das Vergangene ist
allgegenwärtig. Offensichtlich waren wir die erste deutsche Delegation, die an einer gemeinsamen
Kranzniederlegung anlässlich des 8. Mai in Miedzyrcezc teilgenommen hat. Nach 60 Jahren!
Anschließend haben wir ein Gebinde am Ehrenmal der ehemaligen Krankenanstalt in Meseritz –
Obrawalde niederlegen können.
Im ehemaligen Meseritz – Obrawalde befand sich eine staatliche psychiatrische Einrichtung unter
Verwaltung der Provinzialregierung Pommern, diese wurde ab 1942 zu einer regelrechten
Vernichtungsanstalt für psychisch Kranke aus ganz Deutschland und den okkupierten Gebieten
ausgebaut. Die nachweislich dokumentierten Krankenmorde werden mit bis zu 18000 „Patienten“
angegeben. Neben Menschen aus über 17 Ländern wurden auch viele Menschen aus Mecklenburg und Pommern Opfer der Euthanasie und sind im Landeskrankenhaus Meseritz –
Obrawalde hinterlistig von ihren „Ärzten“ und ihren Krankenwärtern ermordet worden.
Herr Jacek Paluch und Herr Joachim Boche führten uns durch die kleine Gedenkstätte und zum
Gedenkstein für die Opfer. Es ist wirklich bemerkenswert, mit wie viel Ausdauer und Energie hier an
der Gedenkstätte und am Mahnmal gearbeitet wurde. Dies ist in Deutschland ja nicht selbstverständlich und wie müssen sich die polnischen Freunde fühlen, wenn noch 1960 die mordenden Ärzte und Krankenschwestern und Krankenpfleger von deutschen Gerichten freigesprochen wurden, auch dann wenn ihnen eindeutig Morde in Meseritz – Obrawalde
zugeordnet werden konnten! Für das neue Mahnmal, an dem wir unser Gebinde niederlegten, hat es jedoch deutsche Unterstützung gegeben. Dieses Mahnmal wurde erst kürzlich am 28. April
eingeweiht!
Die Eindrücke sind noch frisch und tief und an dieser Stelle möchte ich mich bei Herrn Thomas
Czabanski, dem Vorsitzenden des Vereins POMOST, für deutsch polnische Versöhnung und beim
Bürgermeister der Stadt Miedzyrzecz, Herrn Tadeusz Dubicki, recht herzlich für ihre Hilfe bedanken.
Mit ihrer Unterstützung ist es uns gelungen unsere gemeinsame Geschichte besser zu verstehen.
Nicht unerheblichen Anteil am Gelingen der Begegnung hat die Stiftung „ERINNERUNG,
VERANTWORTUNG UND ZUKUNFT“, die unser Projekt finanzielle gefördert hat.
Es bleibt für uns die Hoffnung, mit dieser Begegnung, einen kleinen Beitrag zum friedlichen
Zusammenwachsen in einem gemeinsamen Europa geleistet zu haben.
Text: Peter Braun, 8. Mai 2005 Miedzyrzecz pl.