Neujahrsempfang – bitte ohne alltägliche Diskriminierung!

Von administrator|2. Februar 2012|Aktuelles aus der Verbandsarbeit, News|

Einladung des Ministerpräsidenten des Landes Mecklenburg-Vorpommern in die Landeshauptstadt Schwerin
Bericht: Erika Dittner

Herr Sellering lud für den 18. Januar 2012 zum Neujahrsempfang in das Staatstheater ein. Für den Allgemeinen Behindertenverband in Mecklenburg-Vorpommern e.V. durfte ich daran teilnehmen. Die Staatskanzlei bat vorher um eine Rückmeldung, dabei teilte ich gleich mit, dass ich mit einem Elektrorollstuhl kommen werde. Zwei Tage vor dem Empfang wurde ich angerufen und gebeten, mit dem Staatstheater zu sprechen. Das war sowieso geplant, denn mit dem Rollstuhl gelange ich nicht vom Haupteingang ins Theater, dort gibt es Stufen und auch nach bzw. bei der Sanierung wurde an der Situation nichts geändert. Seitlich am Theater gibt es eine Tür, die üblicherweise verschlossen ist, von dort geht es mit einem Hublift die Treppe hinauf. Beim Theater rief ich einen Tag vorher an, bat darum, dass die Tür geöffnet wird.
Am Mittwoch nun erschien ich sehr früh, sah schon einen Rollstuhlfahrer am Seiteneingang und dachte mir, das passt prima. Als die Tür allerdings geöffnet wurde und ich schon auf dem Lift stand, rückte und rührte er sich nichts. Was nun? Die Mitarbeiterin des Theaters hatte die Tastatur in der Hand, sah sich dann meinen Rollstuhl an und meinte, dass dieser zu schwer sei.
Toll, das hatte ich nicht erwartet. Mir blieb nichts anderes übrig, ich konnte wieder gehen, bat sie jedoch, mitzuteilen, dass ich sehr enttäuscht bin, nun den Ministerpräsidenten nicht im Saal des Theaters hören und sehen zu können. Mir war bekannt, dass es nach der Ansprache und den Auszeichnungen weiter geht im Konzertfoyer mit Speisen, Getränken und Gesprächen.
Eine Stunde später fuhr ich zu einem anderen Seiteneingang des Theaters, auch dort musste die Tür erst aufgeschlossen werden und der Fahrstuhl in Gang gesetzt werden. Er funktionierte.
Der Saal war noch ohne Gäste, Mitarbeiter der Catering-Firma eilten hin und her, erledigten die letzten Verrichtungen. In aller Ruhe drehte ich meine Kreise, sah mir den schönen Saal an, auch noch zwei Nebenräume, die ich noch nie sah. Bei den Rundfahrten entdeckte ich, dass es Rindergulasch und Nudeln gibt, Kürbissuppe und Kuchen. An einem weiteren Stand gab es Getränke. Im Saal standen viele Stehtische. Ich guckte mich im Saal um, dachte, dass ich überall im Wege stehen würde, hörte aus der Ferne Beifall klatschen, guckte aus dem Fenster, suchte mir schließlich
einen Stehplatz und entdeckte in einer Ecke zwei Tische mit je vier Stühlen. Nur führte dort eine Stufe hin. Die Leiterin der Catering-Firma war sehr nett und fragte mich, ob ich mich nicht dort hinsetzen möchte. Ich wies auf die Stufe hin und sie meinte, dass die Kellner mich hochtragen können. Vier Kellner kamen, schon war ich oben. Der Platz war gut, allerdings in der Ecke, machte aber letztendlich nichts. Von der Staatskanzlei kam ein Mitarbeiter zu mir und entschuldigte sich, dass ich nicht in den Großen Saal konnte. Später erschien der Chef des Protokolls, setze sich zu mir und sprach sein Bedauern aus. Ich sagte ihm, dass so etwas einfach nicht geht, erzählte ihm, dass ich im IFR und auch in der Arbeitsgruppe Barrierefreiheit, welche sich genau mit der gleichen Thematik beschäftigt und dass die UN- Behindertenrechtskonvention so etwas nicht zulässt.
Inzwischen kamen die Gäste in den Saal, plötzlich waren die Stühle an meinem Tisch auch besetzt, z. B. saß der Botschafter von Bhutan am Tisch und ich bedauerte innerlich sehr, kein Englisch zu können. Später trat wieder ein Mitarbeiter der Staatskanzlei zu mir und fragte, ob ich den Ministerpräsidenten auch gern selber sprechen möchte. Ja, gern.
Die Gäste am Tisch machten große Augen, aber es war eine wunderbare Gelegenheit, meine Enttäuschung auszudrücken, dann auf den Aktionsplan der Landesregierung M-V zur Durchsetzung der Behindertenrechtskonvention zu kommen und zu fragen, wann etwa die Struktur der Ministerien abgeschlossen sein wird.

Erika Dittner, Schwerin, 02.02.2012