Internationaler Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust

Von administrator|27. Januar 2022|Aktuelles aus der Verbandsarbeit|

In vielen Gesellschaften wird am „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“ und der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz vor 77 Jahren gedacht. Anlässlich dieses Tages fand, am 27. Januar, auch in diesem Jahr eine landesweite Gedenkveranstaltung „Erinnern, Betrauern, Wachrütteln“ statt, in welcher Menschen mit Behinderungen und psychischen Erkrankungen im Zentrum des Gedenkens stehen. Aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation wurde die Veranstaltung vorab digital aufgezeichnet. Sie wird am 27. Januar 2022 auf der Internetseite des Landesverbandes Sozialpsychiatrie Mecklenburg-Vorpommern e.V. unter www.sozialpsychiatrie-mv.de veröffentlicht. Der Beitrag unseres Landesvorstandsmitglieds, Margit Glasow, stellt unsere Position und zugleich unsere Betroffenheit dar. Denn mit Blick auf unsere Vergangenheit, ist die Sorge von Menschen, wegen einer Behinderung im Falle einer Triage aussortiert zu werden, zu sehen.

Die Götter in Weiß im Mordkomplott der Nazis verwickelt! Unerhört! Dies wäre heute nicht mehr möglich, dies würden die Ärzte heute nicht mehr mitmachen!. Zweifel sind angezeigt: gibt es nicht heute bereits wieder Grenzüberschreitungen mit der Bioethik, in der Genforschung, der Präimplations- oder der Pränataldiagnostik, bei der Sterbehilfe?
Beugen sich die Ärzte nicht einem Kostendruck, welcher die individuelle Gesundheit der Patienten in Frage stellt und deren Gesundheit der Gesundheitskasse opfert? Spielen nicht längst wieder Kosten-Nutzen-Rechnungen und Profitdenken eine maßgebliche Rolle bei der Behandlung und
Hilfsmittelgewährung? Inzwischen wird der gläserne Patient, ein Impfregister zur Durchsetzung von Zwang, gefordert. Diesen Wunsch, Gesundheitspässe für alle deutschen Staatsbürger einzuführen, äußerte bereits im März 1942, Reichsgesundheitsführer Leonardo Conti. Er wollte eine lückenlose gesundheitliche Beobachtung „von der Wiege bis zum Grabe“ einführen, auch wenn, dabei die ärztliche Schweigepflicht gebrochen werden müsse.

Der entsetzliche Vernichtungsfeldzug der Ärzteschaft gegen Juden, Behinderte und psychisch Kranke in der NS-Zeit wurde nach 1945 kollektiv verdrängt. Es darf aber nicht verschwiegen werden, dass jeder einzelne Arzt, so gab Hitlers Reichskommissar für das Sanitäts- und Gesundheitswesen im Nürnberger Ärzteprozess zu Protokoll, absolut selbstverantwortlich gewesen sei für das, „was er innerhalb dieser Maßnahme, die bis zur Euthanasie, zum Tode führte, zu tun hatte“.

Die Verdrängung fand in Ost und West gleichermaßen statt. Nach Mord und Totschlag setzte das
Totschweigen ein! In seltener Einigkeit wurden die Massenmorde an psychisch kranken und behinderten Menschen in beiden deutschen Staaten nach 1945 vertuscht und Patientenakten verschwanden in Staats- und Stasiarchiven. Selbst ein Planer der T 4 Aktion (1939), Dr. Wilhelm Bender, konnte nach dem Krieg in der Psychiatrischen Klinik Ueckermünde, an leitender Stelle weiter arbeiten. Viele andere Ärzte wie z.B der berüchtigte und gefürchtete Chefarzt, Dr. Josef Leu, aus Schwerin fand eine zweite Karriere als freiberuflicher Nervenarzt und gerichtsmedizinischer Gutachter. Wie viele andere, die wegen des großen Ärztemangels nur geringe Strafen erhielten oder meist vorzeitig aus der Haft entlassen wurden. Die Täter blieben unter uns! All dies hat sich ins kollektive Gedächtnis eingegraben und steht noch heute, bewußt oder unbewußt, als Barriere, zwischen Arzt und Patient. Wer die Opfer nicht anerkennt, hat keine Lehren aus der Geschichte gezogen und befördert heute, erneut Ausgrenzung, Verfolgung und Selektion. Deshalb ist es wichtig, dass es einen  „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“, gibt, um zu erinnern und kritisch zu reflektieren, welches Menschenbild wir heute haben!

Angemerkt von Peter Braun, Landesvorsitzender

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