Inklusion braucht Demokratie

Von administrator|4. Mai 2019|Aktuelles aus der Verbandsarbeit, Mitgliedsverband Rostock, News|

Vom Aktionstag mit vielen interessanten Angeboten am 3. Mai in der Rostocker Fußgängerzone

Der Verein Rostocker für Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe e.V. sowie der Allgemeine Behindertenverband in Mecklenburg- Vorpommern e.V. (ABiMV) und der Allgemeine Behindertenverband in Deutschland e.V. (ABiD) hatten am 4. Mai nach Rostock eingeladen, um mit Gästen und Interessenten, nach 10 Jahren UN-Behindertenrechtskonvention in Deutschland, über eine neue Bildungsdebatte im Land zu diskutieren. Dr. phil. Elisabeth Plate führte in die Thematik mit der Frage ein: Wie kann Inklusion gelingen? An dieser Frage arbeitet und forscht sie im internationalen Kontext, schwerpunktmäßig zu Differenz und Vielfalt, zur inklusiven Schulentwicklung und zur Lehrer*innenbildung und -professionalisierung.

Es ist, wie sie zusammenfassend feststellte, nach wie vor politischer Wille gefordert, inklusive Bildung nicht nur rhetorisch zu unterstützen, sondern die nötigen finanziellen und personellen Ressourcen für einen erfolgreichen gemeinsamen Unterricht im allgemeinen Schulsystem zur Verfügung zu stellen und die „Inklusive Schule“ nicht weiter auszubremsen. Zehn Jahre nach Inkrafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention muss mit Blick auf das deutsche Schulsystem festgestellt werden, dass der Umsetzungsstand weit hinter den Erwartungen zurückbleibt. Einzelne Länder haben zwar entscheidende gesetzliche Schritte hin zu einem inklusiven System geschafft und praktische Erfolge zu verzeichnen, andere wiederum haben trotz Novellierung der Schulgesetze keine richtungsweisenden Schritte unternommen. In keinem Bundesland ist der notwendige gesetzliche Rahmen für die Schaffung und Gewährleistung einer inklusiven Schule abschließend entwickelt worden. Und auch in der Praxis ist es nur einrichtungsbezogen, maximal regional gelungen, qualitativ hochwertige inklusive Bildung anzubieten.

Herr Benjamin Skladny, Schulleiter der Martinschule in Greifswald, kann ein Lied singen über die mangelhafte Ausstattung und Unterstützung durch die Schulbehörden. Es ist nicht immer einfach unter den gegenwärtigen strukturellen, finanziellen und sächlichen Bedingungen, eine Schule in der alle Kinder und Jugendliche willkommen sind, zu organisieren und erfolgreich zu betreiben. Dass geht nur über engagierte Lehrer*innen und Schüler*innen, wie die Juror**innen der Boschstiftung anlässlich der Übergabe des Deutschen Schulpreises 2018 an den Gewinner; Martinschule Greifswald, feststellten.

Im Waldemarhof fanden wir barrierefreie Räumlichkeiten vor und mit einer super Technik konnten wir mit allen Sinnen die Diskussion verfolgen. (mit Schrift- und Gebärdendolmetscher*innen)

Stana Schenck und Jan Warnke stellten ihre Erfahrungen, die sie mit der deutschen Schule und den Schulbehörden in den letzten 20 Jahren gemacht haben zur Diskussion. Es ist hier nicht der Raum, alles darzustellen, welche Widerstände sie überwinden mussten, um für ihre behinderten Kinder eine Regelbeschulung letztlich durchzusetzen. Der Aussonderungsdruck der Behörden, aber auch durch die Pädagog*innen war immens und stellte die Familien immer wieder vor schier unlösbare Probleme. Heute müssen wir feststellen, dass Stigmatisierung und Diskriminierung von Eltern und Kinder noch immer täglich stattfindet und die Schulbehörden und Jugendämter wenig Einsatz zeigen, angemessene Vorkehrungen zu treffen, um das Recht auf Inklusion, gemäß Artikel 24 der UN-BRK, für alle zu verwirklichen.

Als Landesverband von Menschen mit Behinderungen (ABiMV) sehen wir die Schulpolitik im Land sehr kritisch. Der sogenannte „Inklusionsfrieden“ der etablierten Parteien der bis zum Jahr 2022 geschlossen wurde, hat die Entwicklung der Schulen im Land blockiert. Die Verunsicherung ist so groß, dass keine Vertreter*innen aus Schulbehörden unserer Einladung folgten, ja selbst die bildungspolitischen Sprecher*innen der Landtagsfraktionen haben sich vor einer Debatte gedrückt.

Wir werden uns aber nicht abschütteln lassen und die Debatte zur Bildungspolitik im Land fortsetzen. Die UN-BRK zeigt uns den hohen Stellenwert einer inklusiven Gesellschaft auf. Wir werden uns mit ganzer Kraft und Erfahrung einsetzen, damit Inklusion überall und von Anfang an gelingen kann, denn Inklusion macht unsere Gesellschaft gerechter und humaner. Gegen Ausgrenzung und Abwertung setzt Inklusion die Anerkennung der menschlichen Vielfalt und der Selbstbestimmung jedes Menschen, ohne die eine freiheitliche Gesellschaft nicht bestehen kann. Die Tagung wurde von der Aktion Mensch unterstützt.

Nachbetrachtung: Text und Bild: P. Braun