Inklusive Schule ist kein Sparmodell!
Inklusion bedeutet das gleichberechtigte Zusammenleben aller Menschen in allen Bereichen des Lebens. Über lange Zeiträume ist dieser Gedanke in Deutschland sträflich vernachlässigt worden, so dass Alter und Handikap in verschiedensten Formen ausgegliedert wurden. Und obwohl Deutschland der UN – Behindertenrechtskonvention beigetreten ist, werden immer noch falsche
Zeichen durch den Bau neuer Heime und den geplanten Abbau sozialer Sicherungssysteme gesetzt.
Der vielfach verkündete Paradigmenwechsel kann nur Wirklichkeit werden, wenn alle Menschen, die nun gemeinsam leben sollen, dort auch ankommen. Deshalb muss die gesamte Entwicklung von Aufklärung und Transparenz begleitet werden. Ansonsten fürchten die Eltern der Kinder mit Handikap, dass ihre Kinder den geschützten Raum verlieren und die anderen Eltern haben Angst, dass die Bildung ihrer Kinder leidet , wenn sie mit Menschen lernen, die einen großen Unterstützungsbedarf haben.
Im Bereich der Bildung wird die Absicht in M./V. immer deutlicher, den Paradigmenwechsel zu nutzen, um Einsparungen auf Kosten aller Betroffener,auch der Schüler ohne Handikap zu erreichen. Aber das ist keine Inklusion und wird M./V. im Bildungsranking nur noch weiter zurückwerfen.
Laut Schulgesetz muss jeder Schüler mit Handicap den Nachteilausgleich erhalten, den er benötigt, aber auch alle anderen Schüler sollen so gefördert werden, dass sie sich bestmöglich entwickeln.
Das kann nur durch den Einsatz entsprechender Mittel und die Entwicklung neuer Konzepte erfolgen. Dazu gibt es bereits in anderen Ländern gute Beispiele, aber auch in Mecklenburg/ Vorpommern ausbaufähige Versuche.
Alle Bildungsorte müssen Barrierefreiheit erreichen. In Greifswald ist zumindest eine der öffentlichen Schulen der einzelnen Bildungsgänge rollstuhlgerecht. An der Friedrichschule gibt es speziell ausgestattete Unterrichtsräume für Schüler mit einer Hörbehinderung. Erst wenn das überall erreicht ist, kann wirklich gemeinsam gelernt werden.
Dabei kann die Funktion des Lehrens nicht von einer Person in allen Facetten wahrgenommen werden, sondern es muss ein Team gebildet werden, das die Lernräume schafft, die der Einzelne für seine Förderung benötigt. Es werden unterschiedliche Kompetenzen verbunden, die die Entwicklung aller Schüler gewährleisten. Dabei können sich aus der besonderen Förderung von Schülern mit Handicap oder Lernschwierigkeiten durchaus Synergien für Schüler mit anderen Problemen ergeben. Auch in diesem Bereich gibt es bereits Beispiele: Das Zweitlehrersystem, die
Lernstation, die persönliche Assistenz, das Produktive Lernen, Lernzeiten am Nachmittag, die Zusammenarbeit mit Trägern der Jugendhilfe und Sozialarbeit. Dazu gehören dann aber ebenso pflegerisches Personal und Therapeuten. Mit Sicherheit kann festgestellt werden, dass diese verschiedenen Funktionen nicht durch eine einzelne Person abgedeckt werden können. Was müsste ein Studium umfassen, das alle diese Bereiche vermittelt?!
Kann das ein Studiengang überhaupt vermitteln? Das muss angezweifelt werden. Hier wird
also deutlich, dass es auch ein Umdenken in der Lehrerbildung geben muss. Und diese muss das Image des Einzelkämpfers wandeln in den des Teamarbeiters.
Dabei geht es nicht um weitere Verschriftlichung und Belegkultur, die immer die Betroffenen belastet, sondern um die sinnvolle Umsetzung von Strukturen und Rahmenplänen. Diese ermöglichen es dann jedem Schüler, da anzukommen, wo es ihm möglich ist oder anerkannte
Abschlüsse zu erhalten. Die gewandelten Lernformen bedingen eine ganz neue Beratungskultur, die durch Betroffene, amtliche Einrichtungen und Lehrerschaft vor Ort vorgenommen werden muss.
Ein weiterer Schwerpunkt für die Ausbildung!
In Umfragen gibt es zurzeit eine Tendenz, in der die Bürger das Erkalten des menschlichen Miteinanders beklagen. Unsere Aufgabe muss es darum sein, neue Werte zu setzen und dem Menschen den menschlichen Umgang mit seinesgleichen wieder sinnhaft zu machen. Dazu ist das gemeinsame Lernen aller Kinder ein wichtiger Schritt. Darum dürfen wir nicht die Kosten an die erste Stelle setzen, sondern müssen dort den Nutzen platzieren – für jeden Menschen.
Christiane Baller, 23.10.2010