Abschlussveranstaltung zur Umsetzungsbegleitung BTHG
Am 29. und 30.08 fand in Berlin die Abschlussveranstaltung zur Umsetzungsbegleitung des Bundesteilhabegesetzes statt. Seit 2017 wurden in verschiedenen Reformstufen bis heute vielfältige Änderungen im Leistungsrecht, insbesondere durch die Herauslösung der Eingliederungshilfe aus der Sozialhilfe, umgesetzt. Rund 13,5 Millionen Menschen mit Beeinträchtigungen leben in Deutschland, davon ca. 8,5 Millionen mit einer Schwerbehinderung. Trotz dieser großen Zahl nehmen nur ca. 850.00 – 900.000 Menschen Eingliederungshilfeleistungen in Anspruch, um mehr Teilhabe zu erfahren.
Auch unsere EUTB Beraterin nahm an der Veranstaltung mit knapp 350 Anwesenden teil und führte an beiden Tagen zudem Gruppendiskussionen zum Thema der guten vernetzten Beratung. Anwesend waren sowohl Entscheidungsträger*innen, Leistungserbringer*innen und Akteur*innen aus den Bereichen der Beratung und Leistungsgewährung rund um das BTHG.
Im Fokus der weiteren Fachvorträge standen Überblicke zur Umsetzung der Landesrahmenverträge und Herausforderungen einer damit zusammenhängenden UN-BRK konformen Umsetzung sowie verschiedene Podiumsdiskussionen u.a. mit Vertreter*innen der behindertenpolitischen Berichterstatter*innen der Bundestagsfraktionen.
Deutlich wurde in allen diskutierten Formaten, dass das BTHG für alle beteiligten Akteur*innen eine enorme Herausforderung war und bleibt. Das in Deutschland sehr zergliederte Sozialsystem führt zu für Leistungsberechtigte undurchsichtige Strukturen, Hilfen aus einer Hand, wie sie das SGB IX vorsieht, funktionieren nur bedingt.
Die wohl größte Schwäche bleibt jedoch, dass häufig der Wohnort darüber bestimmt, wie gut Menschen mit Behinderungen ihnen zustehende Leistungen, insbesondere der Eingliederungshilfe, erhalten. Komplizierte Bedarfsermittlungsinstrumente, die sich je nach Bundesland unterscheiden, erschweren die personenzentrierte, individuelle Beteiligung der Ratsuchenden an der Leistungsgewährung und führen trotz ICF-Systematik nicht immer zu denselben Bedarfsfeststellungen. Ebenso können in den wenigsten Fällen die Bearbeitungsfristen, die der Gesetzgeber vorsieht, eingehalten werden. Dies bleibt jedoch zumeist folgenlos für den Leistungsträger. In diesen Punkten muss das BTHG zwingend nachgesteuert werden, um gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Menschen mit Behinderungen zu schaffen.
Jürgen Dusel, Beauftragter der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen, führte weitere Punkte auf, welche er zwingend erneut zur Diskussion bzw. Weiterentwicklung stellen möchte. Dazu gehören Themen wie die völlige Einkommens- und Vermögensunabhängigkeit der Assistenz im Rahmen der Sozialen Teilhabe, eine Verbesserung der Schnittstellenproblematik zwischen der Eingliederungshilfe und Pflege, einen Rechtsanspruch auf Assistenz im Ehrenamt und eine verbesserte Rechtsanwendung im Persönlichen Budget.
Sicherlich werden erneut einige Jahre vergehen, bis spürbare Veränderungen bei den leistungsberechtigten Menschen ankommen, jedoch ist durch die Umsetzungsbegleitung des BTHG deutlich geworden, dass ein gut gemeintes Gesetz auch nach vielen Jahren noch Schwachstellen ausweisen kann.
Text: Annika Schmalenberg, ABiMV e.V. / 02.09.2022