In einer Feierstunde im Martin-Gropius-Bau wurden am Abend des 26.01.2010 die 2009 aufgefundenen Sterbebücher der nationalsozialistischen Tötungsanstalt Meseritz-Obrawalde vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, Landesverband Berlin an das Berliner Landesarchiv übergeben.
Wojciech Pomianowski, stellvertretender Leiter der polnischen Botschaft, wies darauf hin, dass geistig behinderte Menschen ausgerechnet an einem Ort den Tod fanden, der ihnen Schutz geben sollte: der Heilanstalt Meseritz-Obrawalde. Mit der Aussage „eine europäische Zukunft ohne gemeinsame Erinnerung ist unmöglich“ unterstrich der Botschaftsrat zudem die Wichtigkeit der Aufarbeitung der NS-Verbrechen in deutsch-polnischer Zusammenarbeit.
Der Berliner Staatssekretär für Soziales, Rainer-Maria Fritsch, betonte die Symbolkraft der Veranstaltung am Vorabend des nationalen Gedenktages an die Opfer des Nationalsozialismus.
Quelle: Berliner Behindertenzeitung März 2010 (Seite 8)
eingestellt admin am 03.03.10
Wir fuhren in das Klinikgelände von Obrawalde und fanden bestätigt, was wir im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der Geschehnisse in Alt Rehse erfahren hatten. Etwa 18 000 Menschen fielen in nur 3 Jahren in der Psychiatrischen Landesklinik dem Euthanasieprogramm und dem Rassenwahn der Nazis zum Opfer. Sie wurden durch ihre Ärzte und Schwestern hinterlistig getötet und in Massengräbern verscharrt. Auch hier legten wir auf dem Friedhof am neuen Gedenkstein einen Kranz nieder. Für mich war das ein eindruckvolles Erlebnis. Ich war sehr betroffen, welches Leid diesen Menschen und ihren Angehörigen angetan wurde. Die Bilder, die uns im Gedenkzimmer gezeigt wurden, haben uns alle tief bewegt. Bei diesem Besuch wurde mir sehr deutlich, welche Verantwortung wir als Nachkriegsgeneration tragen, damit derartige Verbrechen an der Menschlichkeit nie mehr möglich werden. Unser eigenes Handeln und das der nachfolgenden Generationen wird dafür entscheidend sein.
Sehr frisch und beschämend waren noch die Erinnerungen an den Neonaziaufmarsch am 1. Mai in Neubrandenburg, der durch den Oberbürgermeister leichtfertig und gegen den Willen des Großteiles der Bevölkerung genehmigt worden war. Wir waren vermutlich die erste deutsche Delegation, die gemeinsam mit den polnischen Vertretern an diesen Feierlichkeiten am 8.Mai teilnahm. Das ehrt und verpflichtet zugleich. Zum Gedenken der Opfer von Euthanasie und Rassenwahn aus Mecklenburg-Vorpommern waren wir gekommen und fuhren mit dem Gefühl nach Hause, dem europäischen Gedanken und dem vertrauensvollen Umgang mit unseren Nachbarn ein gutes Stück nach vorn gebracht zu haben.
Ergänzende Informationen: Meseritz-Obrawalde (im heutigen Polen), eine staatliche psychiatrische Einrichtung unter Verwaltung der Provinzialregierung Pommern, wurde ab 1942 zu einer regelrechten Vernichtungsanstalt für psychisch Kranke aus ganz Deutschland und den ehemaligen polnischen Gebieten. Die nachweislich dokumentierten Krankenmorde reichen bis zu 18.000 Patienten. Viele Patienten aus Mecklenburg und Pommern kamen hier zu Tode. Verschont wurden auch psychische Kranke in kirchlichen Einrichtungen nicht. So wurde die Einrichtung der Inneren Mission „Kückenmühler Anstalten – Stettin“ gemäß staatlicher Verfügung aufgelöst und dann alle 1500 Patienten in den Warthegau und in die Anstalt Meseritz – Obrawalde abtransportiert. Die Stellung der evangelischen Diakonie zur „Sterilisierung“ und „Euthanasie“ im Dritten Reich wurde unter anderem in einer Diplomarbeit an der theologischen Fakultät der Friedrich Schiller Universität Jena, im Jahre 1990 am Beispiel der Kückenmühler Anstalten – Stettin untersucht. Diese evangelische Einrichtung war auch Gegenstand einer Fachtagung zu Fragen der Euthanasieforschung im Nov. 1989 in Lobetal.
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Am 8. Mai 2005 vor 60 Jahren ging der zweite Weltkrieg zu Ende! Anlässlich dieses Tages der Befreiung vom Hitlerfaschismus stehen wir den Verbrechen gegen die Menschlichkeit und dem Völkermorden noch immer fassungslos gegenüber.
Der Landesvorstand des Allgemeinen Behindertenverbandes in Mecklenburg-Vorpommern e.V. hat zusammen mit Vorständlern, Mitgliedern und Freunden aus seinen Mitgliedsverbänden vor Ort an diesem Tag besonders der Menschen gedacht, die Opfer von Euthanasie und Zwangssterilisation wurden.Wir sehen uns in der Pflicht, an diesem Tag an den Mord und Totschlag von tausenden Menschen mit Behinderungen und / oder chronischen Erkrankungen in der NS Zeit in unserem Bundesland zu erinnern und der Opfer würdevoll zu gedenken!
Bericht: P. Braun